Fühl doch mal wieder: Warum du Wut, Trauer & Co. nicht länger unterdrücken solltest
„Indianer kennen keinen Schmerz.“
„Hör jetzt auf zu weinen, es war doch nicht so schlimm.“
„Wer wütend ist, muss auf sein Zimmer.“
Viele von uns haben solche Sätze in ihrer Kindheit gehört. Unsere Eltern meinten das nicht böse – oft waren es Sätze, die einfach so gesagt wurden, weil sie es selbst nicht anders gelernt hatten. Doch sie hatten Wirkung. Denn was wir daraus mitgenommen haben, war: Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Angst sind nicht okay.
Und so haben viele von uns schon sehr früh gelernt, unangenehme Gefühle wegzuschieben, sie zu ignorieren, zu unterdrücken oder zu übergehen. Lieber brav sein, lieb sein, durchhalten und sich anpassen. Auf keinen Fall Schwäche zeigen.
Doch was passiert, wenn wir unsere Emotionen nicht fühlen dürfen? Wenn sie keinen Raum bekommen? Wir verlieren nicht nur die Verbindung zu unseren „negativen“ Gefühlen, sondern auch zu uns selbst.
Gefühle sind wie innere Wegweiser
Unsere Gefühle sind nicht unser Feind. Sie wollen uns nichts Böses – im Gegenteil: Sie zeigen uns, was gerade wichtig ist. Wut macht dich darauf aufmerksam, dass eine Grenze überschritten wurde. Trauer zeigt dir, dass etwas schmerzt oder fehlt. So haben alle Gefühle einen Nutzen.
Deshalb gibt es keine „negativen“ Gefühle. Das ist nur etwas, was wir in unserer Gesellschaft gelernt haben. Sie alle gehören genauso zu dir wie Freude, Leichtigkeit oder Liebe.
Wenn wir Gefühle wie Trauer unterdrücken, geht es uns auf Dauer nicht besser. Die Gefühle verschwinden nicht. Sie bleiben in unserem Körper, in unserem System. Und sie machen sich irgendwann bemerkbar – durch:
- Erschöpfung
- Reizbarkeit
- Rückzug
- Inneren Druck
- Unzufriedenheit
- Körperliche Symptome
Was wir als Kinder über Gefühle gelernt haben
In der Kindheit erleben wir unsere Umwelt sehr ichbezogen. Alles, was um uns herum geschieht, beziehen wir auf uns. Wenn Mama traurig ist oder schimpft, denken wir: Das liegt an mir. Wenn wir für ein bestimmtes Verhalten gelobt werden, lernen wir: So muss ich sein, um Liebe zu bekommen.
So entstehen erste Denk- und Verhaltensmuster. Sätze wie:
„Ich darf nicht wütend sein, sonst werde ich bestraft.“
oder
„Ich muss mich anpassen, dann bekomme ich Liebe.“
prägen sich tief ein.
Mit der Zeit speichern wir Erfahrungen ab, die mit Gedanken und Gefühlen verbunden sind. Und diese inneren Muster begleiten uns oft ein Leben lang – wenn wir sie nicht hinterfragen.
Wenn kleine Dinge große Gefühle auslösen
Vielleicht kennst du das: Ein harmloser Streit mit deinem Partner eskaliert – und plötzlich kocht alles über. Wegen einer Kleinigkeit wie dem nicht weggebrachten Müll bricht ein riesiger Konflikt los. Und du denkst: Warum trifft mich das gerade so sehr?
Oft geht es in solchen Momenten gar nicht mehr um den Auslöser selbst, sondern um eine tiefere Verletzung aus der Vergangenheit. Vielleicht melden sich Selbstzweifel oder ein altes Gefühl – die Gedanken, nicht gesehen oder ernst genommen zu werden. Es sind Sätze, die tief in deinem Inneren gespeichert sind, aus einer Zeit, in der du als Kind versucht hast, mit deinem Verhalten Liebe und Sicherheit zu bekommen.
Warum echte Heilung in dir beginnt
Wenn wir unsere Emotionen nicht fühlen, suchen wir oft im Außen nach Ersatz. Wir hoffen, dass unser Partner uns gibt, was wir selbst nicht fühlen wollen. Wir erwarten, dass andere uns Liebe, Sicherheit oder Anerkennung schenken – weil wir selbst den Zugang dazu verloren haben. Doch das funktioniert nur begrenzt.
Wirkliche Heilung beginnt in uns – mit Selbstakzeptanz und Selbstliebe.
Wenn wir wieder lernen, unsere Gefühle zu fühlen, sie zuzulassen, ohne sie zu bewerten, dann geben wir uns selbst genau das, wonach wir uns so lange gesehnt haben: Verständnis, Mitgefühl, Liebe.
Du musst nicht perfekt sein. Du musst nicht immer funktionieren.
Du darfst traurig sein. Du darfst dich überfordert oder wütend fühlen.
Alles, was du fühlst, darf da sein.
Und wenn du das erkennst, verändert sich nicht nur dein inneres Erleben, sondern auch deine Beziehungen.
3 praktische Schritte, um wieder ins Fühlen zu kommen
Vielleicht fragst du dich: Wie soll ich das überhaupt machen? Ich weiß gar nicht, wie ich wieder an meine Gefühle rankomme.
Das ist ganz normal. Die meisten von uns haben es nie richtig gelernt. Aber du kannst es in kleinen Schritten wiederentdecken:
1. Spüre täglich in dich hinein
Setz dich hin, leg eine Hand auf dein Herz oder deinen Bauch und frag dich:
Wie fühle ich mich gerade? Was ist los in mir?
Spür in deinen Körper hinein. Gibt es eine Anspannung, Enge, Schwere?
Es geht nicht darum, gleich eine Lösung zu finden, sondern einfach wahrzunehmen, was da ist.
Wenn du etwas im Körper wahrnehmen kannst, dann spüre genau an diese Stelle und frag dich, welches Gefühl dahinter liegen könnte. Ist es vielleicht Freude, Wut, Traurigkeit oder Überforderung?
👉Versuche, es nicht wegzumachen. Bleib ein paar Minuten dabei und atme ruhig weiter.
2. Stopp sagen, wenn du getriggert bist
In Situationen, in denen du emotional überreagierst oder dich selbst nicht mehr verstehst, hilft es, einen Moment innezuhalten. Sag dir innerlich:
Stopp. Ich schau erst mal, was da gerade in mir passiert.
Vielleicht spürst du, dass dein Partner nur ein Trigger war, aber das eigentliche Gefühl viel älter ist. Frage dich:
Was steckt wirklich dahinter?
Was löst es gerade in dir aus? Vielleicht kommt sogar eine Erinnerung hoch. Das ist der erste Schritt, um bewusster mit alten Mustern umzugehen.
3. Teile deine Gefühle – offen und ehrlich
Lerne, über deine Gefühle zu sprechen – ganz offen und ehrlich.
Nicht, um jemandem Vorwürfe zu machen, sondern um dich mitzuteilen.
Statt:
„Du hast mich wütend gemacht!“
sag lieber:
„Ich merke, dass ich wütend bin, weil ich mich übergangen fühle.“
Erwarte nicht, dass dein Gegenüber sofort alles versteht – aber gib euch die Chance, euch auf einer tieferen Ebene zu begegnen.
Gefühle zeigen ist keine Schwäche. Es ist eine echte Stärke.
All deine Gefühle sind wertvoll
Wut, Trauer, Angst, Scham – das alles sind keine Fehler oder Schwächen.
Sie gehören zu dir. Sie sind da, um dich zu unterstützen. Sie wollen dir zeigen, wo deine Grenzen sind, was du brauchst und was dich verletzt hat.
Wenn du wieder lernst, sie bewusst zu fühlen, liebevoll anzunehmen, ohne dich dafür zu schämen, wirst du dich selbst besser verstehen.
Und du wirst spüren, wie du Stück für Stück zu dir zurückfindest.
Über die Autorin
Lisa begleitet Menschen auf dem Weg zu mehr Selbstwert, innerer Klarheit und emotionaler Stärke. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie es sich anfühlt, sich ständig anzupassen und sich selbst dabei zu verlieren. Heute lebt sie ein erfülltes Leben – mit dem festen Vertrauen in den eigenen Wert.
In ihrem Coaching arbeitet sie mit der Methode der liegenden Acht nach Christina und Walter Hommelsheim. Diese verbindet wirkungsvoll Elemente aus der Inneren-Kind-Arbeit, dem Emotionscoaching und der Visionsarbeit. Dabei unterstützt Lisa ihre Klient*innen, alte Glaubenssätze zu lösen, sich mit ihren Gefühlen zu versöhnen und mutige Schritte in Richtung Veränderung zu gehen.
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